Das schlechte Gewissen: Ich bin schuld.
Selbstvorwürfe und Depressionen nach einer Trennung. Das kommt so häufig vor.
“Ich hab es wohl nicht anders verdient”.
Das ist, was viele von uns denken, wenn der Partner oder die Partnerin uns verlässt. Wir sind dann manchmal unsicher, haben vielleicht auch ein schlechtes Gewissen, klagen uns selbst an: Was habe ich alles falsch gemacht? Endlose Selbstvorwürfe.
Nach einer Trennung fühlen wir uns oft zutiefst unwürdig. In einigen Fällen können solche Selbstvorwürfe durchaus heftige Formen annehmen.
Ich nenne ihn mal Jürgen, den jungen Mann, der da ganz aufgelöst zu mir kommt. Erdrückt von seinen Selbstvorwürfen. Warum?
Seine Freundin hat ihn verlassen.
Dabei hat es doch alles so vielversprechend angefangen. Mit dieser wunderbaren Frau, so sagt mir Jürgen. Er war so verliebt.
Und jetzt macht er sich Selbstvorwürfe.
Hören wir seinen Bericht aus der Zeit des Kennenlernens:
Nach kurzer Zeit allerdings war es so, dass wir jeden Tag zusammen verbracht haben.
Irgendwie ist sie dann bei mir eingezogen. Schon nach wenigen Wochen. Ohne dass ich es so richtig gemerkt habe. Sie hat eben immer mehr Zeug mitgebracht und irgendwann wohnte sie dann bei mir.
Und das ist mir doch ein wenig zu viel geworden. Ich konnte ja gar nichts mehr allein unternehmen. Keine Freunde besuchen, nicht mal kurz in die Kneipe, nichts.
Darauf hat sie sehr heftig reagiert. Mit Weinkrämpfen und Wutanfällen. Ich hatte Angst, die Nachbarn würden die Polizei rufen.
Sie ist letztlich dann doch gegangen, hat mir aber jeden Tag mehrere Mitteilungen geschickt. Wie sie mich vermissen würde. Es sei doch so schön mit mir.
Und natürlich war sie ja auch meine Traumfrau.
Also habe ich den Kontakt wieder aufgenommen,” fährt Jürgen fort. “Ich habe ihr verziehen, wie so oft. Obwohl ich ein komisches Gefühl dabei hatte.
Naja, sie hat mich aber doch auch so liebevoll behandelt.
Und ich war so glücklich mit ihr.
Klar, sie hat mein Handy kontrolliert. Und mich natürlich auch. Wenn ich mal zu spät von der Arbeit gekommen bin, wurde es schon schwierig.
Aber ich hab immer den Fehler bei mir gesucht. Vielleicht lag es ja an meinem Verhalten. Ich war fest davon überzeugt, dass ich irgendetwas falsch mache. Dass ich sie dazu bringe, mich so zu kontrollieren. Dass ich sie da unsicher mache.
Also habe ich versucht, mich noch mehr in die Partnerschaft einzubringen. Habe den Fußballverein und das Fittness gekündigt.
Aber das hat nicht gereicht und ich wusste irgendwann nicht mehr, wie ich es besser machen sollte.
Ich konnte sie nicht mehr zufriedenstellen.
Es ist mehrmals vorgekommen, dass ich mitten in der Nacht zu einem Freund gefahren bin und mich dort ausgeheult habe. Was natürlich wieder Probleme gab, wenn ich dort übernachtet habe und dann erst am nächsten Tag wieder in meine Wohnung kam.
An solchen Tagen konnte ich ihr meine Liebe nicht wirklich gut zeigen, auch wenn sie das forderte, ich hatte dann Mühe, mich auszudrücken, und zwar körperlich sowie auch verbal.
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.
Ich nahm einfach alles hin.”
Nein, sagt Jürgen, er habe niemals daran gedacht, sich zu trennen. Er habe ihr immer wieder verziehen beziehungsweise versucht, sich zu bessern und ihr das zu geben, was sie offensichtlich brauchte.
Die Beziehung war so ungeheuer wichtig für ihn, teilt er mir mit. Er wollte unbedingt, absolut mit seiner Freundin zusammenbleiben. Das stand für ihn an erster Stelle.
Irgendwann fing sie an, die Parterschaft anzuzweifeln und zu hinterfragen. Ich sei ja so unberechenbar, sie wisse nicht, ob sie diese Beziehung überhaupt noch wolle.
Sie könne sich da nicht entscheiden.
Teilweise hat sie wochenlang nicht mit mir geredet.
Selbst im Urlaub ist das passiert.
Ja, und dann war sie plötzlich von heute auf morgen weg. Hat mir noch einen Zettel hinterlassen. Es sei vorbei. Endgültig. Sie könne diese Beziehung mit mir nicht länger aushalten.
Wenn wir verlassen werden, fühlen wir uns oft zutiefst unwürdig, unsere befürchteten Unzulänglichkeiten werden endgültig bestätigt. Unsere innere Stimme sagt uns vielleicht, dass es wahrscheinlich unsere eigene Schuld ist.
Ein Teil von uns vermutet, dass wir bekommen haben, was wir verdienen.
In Jürgens Fall ist es allerdings schon extrem. Er übernimmt hier die gesamte Schuld für alles, was in irgendeiner Weise schiefgelaufen ist. Er ertrinkt sozusagen in seinen Selbstvorwürfen.
Obwohl man als außenstehende Person sagen könnte, dass seine Freundin nun auch wirklich nicht ganz einfach zu sein scheint. Um es mal milde auszudrücken.
Sie manipuliert ihn ganz ordentlich. Auch nach der Trennung noch.
Sie will ihn nicht loslassen.
Hören wir Jürgens weiteren Bericht.
“Seit der Trennung hab ich fast täglich eine Nachricht von ihr bekommen,” fährt Jürgen fort.
“Ich habe aber von mir aus keinen Kontakt gesucht. Ich habe die Trennung ja sofort akzeptiert, als ich den Zettel fand.”
Trotzdem ist Jürgen nun todtraurig.
Er gibt sich die alleinige Schuld für das Ende der Beziehung und macht sich endlose Selbstvorwürfe.
Er sei emotional einfach nicht erreichbar gewesen für sie. Er sei einfach weggelaufen, wenn es schwierig wurde. Er habe sie mit seinem Verhalten so weit gebracht, dass sie teilweise tagelang nicht mit ihm sprach. Seine Selbstvorwürfe sind schon heftig.
“Das hat sie nicht verdient,” sagt er immer wieder.
Ganz klar, dieses Beziehungsende hat er selbst verursacht! Ganz allein! Davon ist er hundertprozentig überzeugt.
Er bereut es sehr, dass er nicht so für seine Freundin da sein konnte, wie sie es verlangt beziehungsweise verdient hat.
So redet Jürgen und so reden seine Selbstvorwürfe.
Und ja, sie war (oder ist) seine Traumfrau.
Was ihm denn so gut an ihr gefallen hat, frage ich.
“Ihre Aufmerksamkeit,” sagt Jürgen. “Die vielen Nachrichten. Unsere Ausflüge. Die langen gemeinsamen Wochenenden. Sonntagsmorgens im Bett.”
Er habe etwas sehr Wertvolles verloren. So drückt er es aus.
Das glaube ich auch. Jürgen hat in der Tat etwas sehr Wertvolles verloren. Stellt sich nur die Frage, ob diese Frau so wertvoll ist oder ob er nicht doch etwas anderes verloren hat, das noch viel wertvoller war: sich selbst.
Nun will er sie zurück. Seine Traumfrau.
Damit er es besser machen, sagt Jürgen, seine Fehler wiedergutmachen, seine Selbstvorwürfe aus der Welt schaffen kann.
Ihr endlich beweisen kann, dass Vertrauenswürdigkeit für ihn sehr wichtig ist und sie nicht sein Handy kontrollieren muss. Dass er ihr immer treu war.
Was ist mit den Panikattacken, die er in der letzten Phase seiner Beziehung hatte?
Die sind jetzt weg. Er nickt nachdenklich. Ja, die sind weg.
Das hatte er noch gar nicht so realisiert. Aber jetzt, wo ich danach frage…
Dennoch. Er habe seine Freundin dazu gebracht, diese wunderbare Beziehung zu beenden.
Sie habe ihn gebraucht und er sei nicht für sie da gewesen.
Er vermisse sie so schrecklich.
Eine solche Traumfrau würde er nie wieder finden.
Im weiteren Verlauf erwähnt Jürgen seine Herzrhythmusstörungen und das Herzrasen. Ja, er sei in ärztlicher Behandlung, bestätigt er mir.
Auch wegen der Angststörung nehme er nun Tabletten.
Für die Panikattacken habe er ebenfalls irgendetwas bekommen.
Nicht zu vergessen, die Medikamente für den Magen.
Nur gegen die Selbstvorwürfe gibt es leider keine Arzneimittel.
Kommst Du allein nicht weiter und brauchst Unterstützung? Vereinbare noch heute Deinen Termin mit mir Für ein kostenloses Erstgespräch erreichst Du mich telefonisch unter Tel. 0160 55 13 745 Du kannst aber auch gern per E-Mail einen Termin mit mir vereinbaren: contact@beziehungswerkstatt-albatros.de |
Ehrlich gesagt, freue ich mich sehr für Jürgen, dass diese furchtbare Partnerschaft nun endlich vorbei ist.
Denn von selbst hätte er sie wohl kaum beendet.
Und von einer Traumfrau kann ich hier nun wirklich nichts erkennen.
Ich sehe nur ganz krasse Verhaltensweisen von ihrer Seite, die vermutlich mal therapeutisch überprüft werden sollten.
Und an Jürgens Seite eine endlose Geduld, begleitet von Selbstanklagen und Selbstvorwürfen.
Eine ungute Kombination.
Wenn man sich nach einer Trennung solche Selbstvorwürfe macht, dann kann das natürlich ein Versuch sein, die Kontrolle über etwas wiederzuerlangen, über das man keine Kontrolle hat. Sich vorzustellen, man könne – allein durch ein bestimmtes Verhalten – die Beziehung retten.
So nach dem Motto, wenn ich es selbst verursacht habe, dann kann ich es auch selber wieder rückgängig machen. Es liegt alles in meiner Hand.
Das ist aber im Regelfall nicht so.
Häufig gibt es eine Vielzahl von Gründen oder auch Ursachen für eine Trennung, die Du vermutlich nicht alle selbst zu vertreten hast. Und eben auch nicht alle beeinflussen kannst.
Wenn jemand beschließt, eine Partnerschaft zu beenden, dann hat er oder sie häufig schon ganz gut darüber nachgedacht.
Und wird sich normalerweise nicht durch kleinere Verhaltensänderungen mal eben umstimmen lassen.
Mal davon abgesehen, dass das Verhalten der Frau in diesem Fall unter aller Kanone ist, wenn ich das mal so sagen darf. Möglicherweise hat sie narzisstische Anteile, aber das können wir hier aus der Ferne nicht feststellen.
Natürlich sollte man die Verantwortung für die eigenen Fehler übernehmen.
Aber bitte nicht auch noch die Verantwortung für die Fehler des Partners oder der Partnerin.
Und dabei sollte man schon gar nicht die eigene Person schlechtreden.
Eine gute Idee kann es sein, zu akzeptieren, dass wir alle nicht vollkommen sind und auch Du es nicht bist.
Du bist ein Mensch, wie wir alle, und darfst Fehler machen. Ohne Selbstvorwürfe und Selbstanklagen.
Auch unvollkommene Menschen können Partnerschaften haben.
Stärker noch: In Partnerschaften gibt es überhaupt nur unvollkommene Menschen!
Falls Du Dich also hier wiedererkennst, kannst Du Dich fragen, woher Deine Selbstvorwürfe kommen.
Warum sollte jemand einen solchen psychischen Missbrauch akzeptieren, wie ihn Jürgen über sich ergehen lässt? Die Anzeichen deuten darauf hin, dass seine Freundin gewisse narzisstische Anteile oder Tendenzen aufweist. Aber dies können wir, wie gesagt, so aus der Ferne nicht diagnostizieren und das ist auch nicht meine Aufgabe hier.
Warum denkt Jürgen, er sei nicht gut genug? Warum meint er, keine Wertschätzung zu verdienen? Warum geht er davon aus, nur dann Anerkennung zu verdienen, wenn er sein Bestes gibt?
Und warum macht er sich derartige Selbstvorwürfe? Christine Merzeder sagt dazu: “Menschen mit einem solchen unbewussten Programm können Bestätigung nicht aus sich selbst heraus finden, sondern nur durch Außenstehende gewinnen.”
Damit macht sich Jürgen von seiner Freundin abhängig, er übergibt ihr sozusagen die Kontrolle über sein Lebensglück. In seinem Versuch, einen Menschen zu finden, der liebt und akzeptiert.
Und dabei passiert es, dass Jürgen, in unserem Fall, “seine Kraft bis zur Selbstaufgabe verbraucht”.
Seine Freundin spürt natürlich diese Abhängigkeit und nutzt sie schamlos aus.
Damit bietet er ihr also eine Angriffsfläche für den Missbrauch.
Häufig ist es so, dass die Ursachen dafür bereits in der Kindheit liegen. Wird uns in jungen Jahren glaubhaft vermittelt, dass wir wertlos sind, dass wir Höchstleistungen erbringen müssen, um andere zufriedenzustellen, dann wird sich das bis ins Erwachsenenalter so durchziehen.
Durch diese Botschaften werden wir schon in jungen Jahrendarauf vorbereitet, uns später von anderen ausnutzen zu lassen. So wie Jürgen von seiner Freundin.
Anscheinend kann man von diesen Vorgängen sogar regelrecht süchtig werden, also eine körperliche Abhängigkeit entwickeln. Was wiederum bedeutet, dass die Trennung, wenn sie erfolgt, mit körperlichen Entzugserscheinungen einhergeht. Die es umso schwieriger machen, sich aus der Partnerschaft zu lösen.
Man spricht hier auch von “Traumabonding” oder “Traumabindung”.
“Besonders schwierig,” so schreibt Christiane Merzeder, “ist für viele Betroffene die Auseinandersetzung mit ihren tief verborgenen seelischen Verletzungen und negativen Überzeugungen, die sie seit frühester Kindheit in sich angesammelt haben. Solche inneren Skripte und Selbstzweifel tragen wir alle in unterschiedlichem Maß in uns. Wir haben sie so tief verinnerlicht, dass wir sie nie infrage stellen und uns unbewusst davon steuern lassen.”
Jürgen, in unserem Beispiel, besitzt keine “realistische positive Selbsteinschätzung” und braucht immer wieder Bestätigung von außen.
Das zeigt sich beispielsweise in seinem starken Verantwortungsgefühl für seine Freundin. Er fühlt sich ja für Dinge verantwortlich, die er überhaupt nicht verursacht hat. Kann es sein, dass er als Kind schon viel Verantwortung übernehmen musste? Dass er schon früh andere unterstützen musste?
Dass er als Kind misshandelt oder vernachlässigt worden ist?
Vielleicht kommt es daher, dass Jürgen heute wirklich bis zur Selbstaufgabe loyal und treu ist. Dass er alles hinnimmt und akzeptiert, egal, was. Dass er glaubt, das Leben nicht allein bewältigen zu können.
Dass er so ein leichtes Opfer wird für Menschen wie seine Ex-Freundin.
Übrigens hat Jürgen rechtzeitig Hilfe gesucht und auch bekommen. Heute geht es ihm gut.
Welche Erfahrungen hast Du mit diesem Thema gemacht? Schreib mir einen Kommentar! |
Herzliche Grüße von Barbara
Barbara Schmidt, M.A.
Mein Name ist Barbara, Paarberaterin und Gründerin der Online-Beziehungswerkstatt Albatros im Rahmen der Paarberatung Bremen. Ich helfe Dir bei schwierigen Eheproblemen oder wenn Du einfach mal eine Beziehungsberatung brauchst, aber keine Lust hast, dafür gleich eine jahrelange Therapie machen zu müssen.