Trennung wegen zu wenig Sex
Was steckt dahinter? Ist das der wirkliche Grund? 3 überraschende Hinweise
Fehlender Sex in der Ehe
Eine Trennung wegen zu wenig Sex? Echt jetzt?
Sex ist wichtig, gar keine Frage. Aber was ist da los in der Ehe, wenn es nicht klappt? Ist der fehlende Sex auch wirklich der echte Grund für den Trennungswunsch?

Und ist es andererseits eine gute Idee, in diesen Fällen – wo es also wenig oder gar keinen Geschlechtsverkehr gibt – den Sex auszulagern und sich (im Fall eines Mannes) eine Geliebte zuzulegen? Oder - im Fall einer Frau - einen Liebhaber? Um (und das ist ja auch ein ehrenhafter Wunsch) die Trennung wegen zu wenig Sex zu vermeiden?
Also eine Affäre beginnen, die die Ehe stabilisiert? Soll ja vorkommen. Inzwischen höre ich mir Hideyakis Bericht an. Denn Hideyaki befindet sich in genau dieser Situation, so sagt er mir.
Hideyaki ist seit 15 Jahren mit Annika verheiratet. Sie haben zwei gesunde, hübsche Kinder, Teenager inzwischen, sowie ein Haus mit Garten und einen Hund. Natürlich zwei Autos in der Garage.
Beide sind berufstätig.
Mit dem Sex hingegen hat es nie so richtig geklappt bei den beiden. Meint Hideyaki. Klar, die Kinder sind natürlich entstanden. Aber sonst…
Sagt Hideyaki.
Was Annika dazu meint, erfahre ich erst später.
Jedenfalls hat sich Hideyaki den Sex laut eigener Aussage letztlich woanders geholt. In Form einer Freundin, die in der gleichen Stadt lebt.
Kurze Fahrzeiten also. Zumindest außerhalb der Verkehrsspitzen.
Mit Annika hat er auch noch ab und zu geschlafen. Aber nicht oft.
Annika hat sich gewundert, dass es immer weniger Intimität gab. Und hat nachgeforscht.
Und irgendwann ist die Sache mit der Affäre dann aufgeflogen.
Und nun will Annika die Trennung. Letztlich also eine Trennung wegen zu wenig Sex.
Erstens, weil Hideyaki ihr keinen Sex mehr bietet. Oder jedenfalls kaum noch.
Zweitens, weil er – wegen angeblich fehlendem Sex in der Ehe – eine Affäre angefangen hat.

Hideyaki ist derjenige, der zu mir in die Paarberatung kommt. Weil er nämlich diese Trennung wegen zu wenig Sex überhaupt nicht will. Die Kinder, das Haus, der Hund – das ganze Leben, das er sich zusammen mit Annika aufgebaut hat. Das alles will er nicht verlieren.
Und er liebt Annika.
Ja, sagt Hideyaki. Er liebt seine Frau. Echt wahr.
Warum ist er dann fremdgegangen?
In mehreren Gesprächen finden wir heraus, dass die Affäre und ihre Wohnung eine Art geheimen Rückzugsort für ihn darstellte. Von dem keiner wusste, nur er selbst – und seine Geliebte natürlich.
Während er spricht, habe ich das Bild eines kleinen Jungen vor Augen, der sich auf dem Dachboden des elterlichen Hauses eine Höhle baut. Einen ganz privaten Bereich, von dem niemand etwas weiß, so glaubt er. Auch die Putzfrau nicht.
Annika will nun von ihm wissen, warum diese Sache mit der Affäre passiert ist.
Es liegt an dem fehlenden Sex, meint Hideyaki. Ganz klar. Er hätte mehr Intimität gebraucht. Und sich die eben nun woanders geholt. Davon ist er hundertprozentig überzeugt.
Also ist seine Frau die Ursache? Ist sie womöglich die Schuldige?
Aber sie war es doch, die von der Trennung wegen zu wenig Sex gesprochen hat? Nicht er.

Mit ihr habe ich mich inzwischen auch unterhalten. Annika liebt ihren Mann. Trotz allem. Und Annika hätte sich, wie sie mir überzeugend mitteilt, ebenfalls mehr Sex gewünscht.
Ja, aber mit seiner Frau habe er immer wieder Erektionsstörungen, berichtet Hideyaki. Was bei seiner Affäre nicht der Fall sei.
Das glaube ich ihm auch. Nur –
Liegt das wirklich an seiner Frau? Ist hier eine Trennung wegen zu wenig Sex unvermeidlich?
Hideyaki und seine Fantasie.
Ich frage ihn, wie er sich fühlt, wenn er sich ins Auto setzt und zu seiner Affäre fährt.
Hideyaki spricht von freudiger Erwartung, von einem Vorgefühl romantischer Stunden, Abendessen bei Kerzenschein. Und er kleidet sich dann auch entsprechend. Kauft öfter Blumen. Verwendet ein teures Parfüm.
Ganz klar – in dem Augenblick, wo er an der Wohnungstür seiner Affäre klingelt, ist Hideyaki die wandelnde Eleganz. Seine Frisur sitzt perfekt, die Hose ist frisch gebügelt und ein anziehender männlicher Duft wabert mit ihm über die Schwelle.
Das stimuliert ihn, das regt ihn an.
Seine Augen glänzen, wenn er mir davon erzählt.
Da hat er dann auch kein Problem mit der Erektion.
Welche Chance hat seine Ehe tatsächlich, wenn sich Hideyaki für eine andere Frau so schick macht, wenn er aber seiner eigenen Frau all diese Romantik vorenthält?
Wenn er die Erregung nur bei anderen Menschen zulässt, nicht jedoch zuhause?
Ist die sexuelle Eintönigkeit mit seiner Frau da überhaupt noch überraschend? Ihr Wunsch nach einer Trennung wegen zu wenig Sex?
Ist es nicht vielmehr Hideyaki selbst, der hier für Unlust sorgt, indem er bereits unlustig nach Hause kommt, schon gelangweilt durch die Tür tritt? Begleitet von Schweißgeruch statt Parfüm?
Wenn Hideyaki seine Frau wirklich liebt und respektiert – und den Eindruck macht er auf mich – dann schlage ich ihm vor, seiner Frau einmal die gleiche Behandlung zukommen zu lassen.
Einmal nicht einfach die übliche Route von der Arbeit nach Hause zu fahren. Sondern einen neuen Weg zu wählen, vielleicht eine schöne Strecke über Land, die ungewohnt ist und ihm Freude bereitet, Blumen zu kaufen unterwegs, das Hemd und vielleicht sogar den ganzen Anzug zu wechseln unterwegs.
Ein neues Parfüm zu kaufen, das er nicht für seine Geliebte verwendet.
Sondern nur für seine Frau.
Und seine Geliebte mal ein wenig auf die Rückbank zu schieben.
Vielleicht steht dann irgendwann die Trennung wegen zu wenig Sex gar nicht mehr zur Debatte.
Möglich ist das. Wir arbeiten darauf hin.

Ein kleiner Exkurs
Esther Perel meint, dass das, was wir anderen erzählen, stark davon abhängt, was wir uns selbst gegenüber zugeben. Also auch das, was wir eventuell unserem Paartherapeuten anvertrauen. Das, was also in diesem Fall Hideyaki mir anvertraut.
All dies wird gefiltert durch seine Sichtweise, seinen Blickwinkel.
Somit ist die Perspektive, aus der wir unsere Geschichten erzählen (aus der in diesem Fall also Hideyaki seine Geschichte erzählt), nicht unbedingt immer ganz objektiv.
Das muss ich als Paarberaterin immer im Auge behalten. Besonders in diesem Fall, wo es um die Trennung wegen zu wenig Sex geht.
Und dass die Tendenz zu einer Außenbeziehung normalerweise auch der Rechtfertigung bedarf. Der Rechtfertigung uns selbst gegenüber. Wir wollen uns ja selbst noch im Spiegel sehen können.
Jedenfalls ist eine solche Rechtfertigung mit Sicherheit keine klinische Diagnose.
Manchmal ist uns ja die eigene Motivation auch gar nicht so richtig bewusst.
Nicht alle Menschen sind gleich und daher sind auch nicht alle Geschichten gleich.
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