Bindungsangst und ambivalentes Verhalten
Wie gehe ich mit der Bindungsangst meines Partners um?
Bindungsangst und ambivalentes Verhalten
Warum zieht er/sie sich zurück, sobald es ernst wird?
Da hast Du jemanden gefunden, der dein Herz schneller schlagen lässt. Die Chemie stimmt, die Gespräche sind tief, die Momente magisch – und dann? Plötzlich zieht er/sie sich zurück. Mal himmelhochjauchzend, dann wieder distanziert. Mal voller Nähe, dann wieder auf Rückzug. Was ist hier los?
Will er oder sie Dich überhaupt? Oder spielst Du nur eine Nebenrolle im großen Drama „Ich will Dich – aber bitte nicht zu nah“? Willkommen in der Welt der Bindungsangst und ambivalentem Verhalten – einem emotionalen Karussell, das süchtig machen kann und zugleich unglaublich schmerzhaft ist.

Bindungsangst und ambivalentes Verhalten - wie zeigt sich das?
„Am Anfang war doch alles so schön!“, berichtet Juliette. „Fünfmal am Tag hat Jürgen mir geschrieben, ständig wollte er sich treffen, Blumen hat er mitgebracht, ins Restaurant hat er mich eingeladen, und tanzen waren wir auch.“
Juliette seufzt. „Irgendwann ging es dann los, dass er sich einfach nicht mehr gemeldet und auch nicht auf meine Anrufe reagiert hat. Wochenlang war Sendepause. Und dann stand er auf einmal wieder vor meiner Tür.“
Ein Hin und Her, ein Auf und Ab. Bindungsangst und ambivalentes Verhalten. Ganze zwei Jahre lang hat Juliette eine Beziehung geführt, die sie allerdings nicht so nennen durfte.
Dennoch war sie in Jürgen verliebt, immer wieder neu, immer wieder mit Schmerzen. Sie wünschte sich eine Beziehung, er wollte es nicht so bezeichnen. Ein Name würde ihn so festnageln, meinte er. Sie wüssten doch, was sie aneinander hätten, das könne man doch auch einfach so genießen, ohne es gleich definieren zu müssen.
Seine Wohnung allerdings hatte sie noch nie gesehen.
Und dann kam der gemeinsame Urlaub.
„Wunderschön,“ sagt Juliette im Nachhinein. „Mauritius war einfach unbeschreiblich.“
Mauritius ist bestimmt ganz wunderbar, keine Frage. Aber lag das an Jürgen, ihrem Partner, oder an dem außergewöhnlichen Ort?
„Kein Sex“, gibt Juliette zu, nachdem ich mindestens eine halbe Stunde lang habe nachbohren müssen. „Und auch keine Umarmungen. Nichts.“
Ist es in diesem Urlaub zum ersten Mal passiert, dass Jürgen den Sex verweigert hat?
Nein, sagt Juliette. Das war vorher auch schon öfter so. Nur im Urlaub ist es ihr halt besonders aufgefallen, weil sie und Jürgen in diesen zwei Wochen doch recht intensiv zusammen waren.
Das ambivalente Verhalten manifestiert sich immer stärker.
Nach dem Urlaub ist dann geschehen, was geschehen musste – Jürgen leitete mal wieder eine Sendepause ein. Ganze sechs Wochen lang hatte er angeblich keine Zeit, sich mit Juliette zu treffen.
Und geschrieben hat er ihr auch nicht mehr. Keine gute Nacht. Keinen guten Morgen hat er ihr geschickt. Nichts.
Juliette saß zu Hause und litt. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Irgendwann jedoch – ihr Herz blieb beinah stehen – fand sie überraschend eine WhatsApp-Nachricht auf ihrem Handy.
Es täte ihm so leid, dass er sie so lange hatte hängenlassen. Ob man sich nicht nun doch einmal wieder sehen könne? Und er schlug ein schickes Restaurant vor und bot an, Juliette einzuladen.
Juliette schluckte.
Aber sie nahm die Einladung an.
Es war ein sehr schickes Restaurant und Juliette hatte sich natürlich auch schick gemacht.
Nach der Vorspeise eröffnete Jürgen ihr – und er grinste dabei vor Freude und Stolz – dass er in der Zwischenzeit seiner Ex-Freundin geholfen habe, ihren Kleingarten auf Vordermann zu bringen. Die Parzelle sei ja dermaßen verwildert gewesen, da habe man auf jeden Fall zu zweit anpacken müssen. Allein hätte sie das gar nicht geschafft, diese seine Ex-Freundin.
Wie hat Juliette darauf reagiert?
Erst einmal hat sie sich zurückgezogen. Es hat aber nicht lange gedauert, da rief Jürgen wiederum an, er wolle sich so gern mit ihr treffen, er habe einen Fehler gemacht und den erst jetzt eingesehen.
Er vermisse Juliette so sehr, dass es ihm richtig Bauchschmerzen verursache.
Bindungsangst und ambivalentes Verhalten pur.
Um die Geschichte abzukürzen: Nach einigem Hin und Her hat Jürgen den Kontakt zu Juliette endgültig eingestellt.
Juliette leidet noch heute darunter.
Intellektuell hat sie es zwar verstanden, aber so richtig nachvollziehen kann sie dieses Verhalten nicht. Sie kann sich nicht emotional hineindenken. Denn sie ist sich sicher, dass Jürgen sie geliebt hat.
Das Thema „Bindungsangst und ambivalentes Verhalten“ ist und bleibt ihr fremd.

Bindungsangst: Die drei Phasen der Beziehung
Stefanie Stahl hat die drei Phasen einer Beziehung mit einem bindungsängstlichen Menschen sehr anschaulich beschrieben.
Sie sagt, dass die einzelnen Phasen bei der Bindungsangst unterschiedlich lang sein und sich auch innerhalb einer Beziehung wiederholen können.
In der ersten Phase passiert das, was viele Menschen als „Love Bombing“ bezeichnen. Man lernt sich kennen, unternimmt etwas, geht gemeinsam essen, der bindungsängstliche Partner erscheint interessant und attraktiv. Und insbesondere sehr, sehr interessiert an Dir.
Wenn Du es noch nicht getan hast, verliebst Du Dich irgendwann in ihn oder sie und hoffst auf eine glückliche Zukunft. Du befindest Dich sozusagen auf Wolke 7.
Vielleicht zieht ihr sogar zusammen.
Die zweite Phase ist nicht mehr ganz so schön, Deine Wolke 7 wird sozusagen ein wenig löchrig. So langsam wird darunter der Abgrund der Bindungsangst sichtbar – erst verschwommen, dann immer deutlicher.
Bei manchen, wie auch bei Juliette, fängt das mit Kleinigkeiten an.
Jürgen fing nämlich an, Dinge zu vergessen. Er hatte dann immer mal wieder versehentlich nicht eingekauft oder keine Milch mitgebracht, er kam spät von der Arbeit nach Hause, war geistig immer öfter abwesend.
Juliette zeigte Verständnis.
Sie bemühte sich sehr, aber es half alles nichts.
Jürgen reagierte zunehmend gereizt. Wenn sie ihn darauf ansprach, meinte er immer wieder, es sei doch alles in Ordnung.
Das ist Bindungsangst und ambivalentes Verhalten.
Das Ende in der dritten Phase kann sehr plötzlich und unvorhersehbar kommen.
Jürgen teilte Juliette mit, er habe sich leider geirrt, er könne sie doch nicht so lieben, wie er es zunächst gedacht habe. Es täte ihm leid, aber er könne einfach nicht mehr atmen.
Aber er sei sich doch so sicher gewesen, sagte Juliette. Es war doch so schön am Anfang!
Sie konnte es nicht glauben.
Oft (durchaus nicht immer!) meldet sich der Bindungsängstler allerdings nach einiger Zeit wieder. Er kann dann beispielsweise reumütig ankommen, sich vielfach und immer wieder entschuldigen, um einen Neubeginn bitten.
Solltest Du darauf eingehen? Oder Dich möglicherweise sogar selbst darum bemühen, dass er zurückkommt?
Bindungsangst und ambivalentes Verhalten im Internet
Im Internet kursieren jede Menge Hinweise darauf, wie man seinen bindungsängstlichen Ex-Partner angeblich zurückgewinnen kann, sofern er nicht von selbst wieder auftaucht.
Hier mal ein Beispiel:
So treibst du deine:n Ex garantiert NICHT in die Arme von jemand anderem (… sondern zurück in deine Arme!). Trage unten deine E-Mail ein, hol dir exklusive Ex-zurück-Tipps per Mail und erhalte zusätzlich den kostenlosen Report „5 Nachrichten, die du deinem:r Ex sofort schicken kannst“! Quelle: https://www.szenario-zwei.com/brief-an-ex/
Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass Dich das nicht weiterbringt – davon einmal abgesehen, dass die Menschen individuell und auch erwachsen sind und ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Auch für Dich wäre das gar nicht sinnvoll.
Auf den Unsinn der Partner-Zurückgewinnungs-Strategien bin ich ja bereits eingegangen.
Ganz im Gegenteil – ich stimme Stefanie Stahl vollkommen zu, wenn sie empfiehlt, dass Du Dich besser nicht mehr so stark oder zumindest nicht ausschließlich auf Deine Beziehung konzentrieren solltest. Auch ich meine, dass Dir eigene Hobbys, Freundschaften und so weiter viel mehr helfen werden.
Verlass Dich also bitte nicht allzusehr auf die „Illusion, die in nahen Momenten entsteht“.
Mehr hierzu erfährst Du im Artikel "Beziehungsprobleme und Entscheidungsfindung".

Da Beziehungen mit Bindungsängstlern im Regelfall mit sehr viel Leid und Unglück einhergehen, möchte ich hier einige ganz konkrete Beispiele nennen. In der Hoffnung, dass es Dir damit leichter fällt, Muster zu erkennen und eine Entscheidung für Dich zu treffen.
Meiner persönlichen Ansicht nach ist Bindungsangst nicht mit dem schlichten Wunsch nach Distanz in Beziehungen zu verwechseln. Darauf möchte ich an dieser Stelle mal ganz deutlich hinweisen.
Wer etwas mehr Distanz braucht, kann das sagen oder deutlich machen und ist dann auch in der Lage, bei einmal eingependeltem Abstand eine stabile Beziehung zu führen.
Bindungsangst äußert sich meiner Erfahrung nach grundlegend anders. Ein Bindungsphobiker kann einerseits seine oder ihre Wünsche nicht klar verdeutlichen oder artikulieren, andererseits aber auch kein stabiles Gleichgewicht in einer Beziehung finden – egal, wie groß die Distanz ist. Allein schon die vermeintlichen (vielleicht gar nicht vorhandenen) Erwartungen des Partners oder der Partnerin können Betroffene in Panik versetzen, sodass sie abrupt die Flucht ergreifen.
Wer ewig an seiner oder ihrer Beziehung zweifelt und diese ständig hinterfragt, wird niemals irgendeine Stabilität erreichen und damit auch den Partner / die Partnerin ewig verunsichern.
So lange, bis einer der beiden dieser Sache ein Ende bereitet. Meistens mit Schrecken…
Der grundlegende Unterschied zwischen einer eher distanzierten und einer bindungsphobischen Beziehung besteht meines Erachtens also darin, dass Bindungsvermeider grundsätzlich keine stabile Beziehung führen können, egal wie distanziert diese sein mag. Sie haben prinzipiell einen sehr unsicheren Bindungsstil.
Inzwischen aber verstehen es viele dieser Menschen, in ihrer „festen“ Bindung immer wieder (oder auch schon gleich von Anfang an) eine gewisse Distanz herzustellen.
Zu diesem Zweck gibt es eine Reihe von Sabotagetaktiken, die öfter zu beobachten sind. Stefanie Stahl sagt dazu: „Die Folge ist, dass man keinen Schritt weiter kommt, es kann nichts geklärt, nichts verbessert und vor allem kein bisschen mehr Nähe hergestellt werden. Dem Partner bleibt, wie so häufig, keine andere Wahl als das Verhalten und damit auch die unbefriedigende Qualität der Beziehung zu akzeptieren oder die Beziehung zu beenden.“
In den weiteren Unterartikeln werde ich einige konkrete Beispiele für Abwehrstrategien von Bindungsphobikern nennen, die der Intimität effektiv im Weg stehen und diese erschweren beziehungsweise ganz verhindern. Lies da gern weiter!
FAQ zu Bindungsangst und ambivalentem Verhalten
Was bedeutet Bindungsangst in einer Beziehung?
Bindungsangst beschreibt die Angst vor Nähe und Verbindlichkeit. Betroffene schwanken oft zwischen intensiver Zuwendung und plötzlichem Rückzug.
Wie erkenne ich Bindungsangst beim Partner?
Typische Anzeichen sind widersprüchliches Verhalten, Distanz nach Nähe, das Abwerten von Bedürfnissen sowie das ständige Hinterfragen der Beziehung.
Kann eine Beziehung mit Bindungsangst funktionieren?
Ja, aber nur, wenn beide Partner offen kommunizieren, Grenzen respektieren und an den Mustern arbeiten. Ohne Veränderung führt Bindungsangst meist zu Frust und Unsicherheit.
Hilft Paartherapie bei Bindungsangst?
Paartherapie oder Online-Beziehungsberatung kann helfen, Bindungsängste zu verstehen, destruktive Muster zu durchbrechen und mehr Klarheit über die Partnerschaft zu gewinnen.
Wie gehe ich mit einem bindungsängstlichen Partner um?
Wichtig sind klare Kommunikation, eigene Grenzen, Selbstfürsorge und die Bereitschaft, auch loszulassen, wenn die Beziehung dauerhaft ungesund bleibt.

Barbara Schmidt, M.A.
Mein Name ist Barbara, Paarberaterin und Gründerin der Online-Beziehungswerkstatt Albatros im Rahmen der Paartherapie Bremen. Ich helfe Dir bei schwierigen Eheproblemen oder wenn Du einfach mal eine Beziehungsberatung brauchst, aber keine Lust hast, dafür gleich eine jahrelange Therapie machen zu müssen.
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