Unerwiderte Liebe
Ist das noch gesund?
Die unerwiderte Liebe
Wenn ich ihn nur nicht so lieben würde…
Unerwiderte Liebe ist ein stilles Sehnen, ein Gefühl, das zwischen Hoffnung und Schmerz schwebt. Man gibt sein Herz hin, doch es bleibt unberührt – nicht aus Bosheit, sondern weil Liebe nicht erzwungen werden kann. Es ist die Kunst, loszulassen, ohne zu vergessen, und zu akzeptieren, dass manche Herzen einfach in unterschiedlichen Rhythmen schlagen.

Dann würde ich mir das niemals gefallen lassen
Sagt Kerstin.
Und spricht dabei von ihrem Mann Hans. Hans ist ihre ganz große Liebe. Ihre unerwiderte Liebe.
Kerstin selbst möchte, ja will unbedingt in dieser Ehe bleiben, will sie fortsetzen, komme was wolle.
Warum eigentlich, frage ich sie. Warum diese Ehe mit diesem Mann?
Wegen der intensiven Gefühle natürlich, sagt Kerstin. Sie liebt ihren Hans eben so sehr. Da kann sie gar nichts machen. Auch wenn das eine unerwiderte Liebe ist. Trotzdem.
Ihr Bruder rät ihr, die Ehe zu beenden. Und zwar so schnell wie möglich. Unerwiderte Liebe? Das ist keine Liebe.
Kerstins beste Freundin kann die ewig gleichen Geschichten über Hans nicht mehr hören und will das Gesprächsthema wechseln.
Und ihre Tante Gerda ist davon überzeugt, dass Hans sie eines Tages umbringen wird. Wobei Gerda allerdings generell dazu neigt, oft ein wenig theatralisch zu reagieren.
Was ist davon zu halten?
Und was sagt Hans dazu?
Schauen wir uns einmal an, was Hans tut; nicht das, was er sagt.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte Kerstin Geburtstag, und da hat Hans sie abends in das beste und teuerste Restaurant der Stadt eingeladen. Romantik und Kerzenschein inklusive.
Die Kerzen haben dann auch den ganzen Abend gebrannt. Die Romantik jedoch, die hat er an diesem Abend gründlich verbrannt.
Obwohl Kerstin immer wieder versucht hat, seine Hand zu nehmen oder ihm auf andere Weise körperlich näher zu kommen, hat sich Hans da konsequent zurückgezogen. Aus irgendeinem Grund konnte er keinerlei Körperkontakt zulassen.
Beim Nachtisch hat Hans sich dann plötzlich zurückgelehnt und seiner Kerstin eröffnet, er habe eine Affäre mit seiner Kollegin.
Einfach so.
Dabei hat er genau ihr Gesicht studiert, als wolle er sehen, wie sie reagiert.
Sein Blick hat sich richtig in sie hineingebohrt, so hat es mir Kerstin später erzählt.
Erst konnte sie es nicht wirklich glauben, was er ihr da erzählte. War es ein schlechter Witz? Eine Provokation? Aber warum? Aus welchem Grund?
Lange Zeit war Kerstin wie gelähmt. Dann begann sie, Fragen zu stellen. Da war so vieles, was sie von Hans wissen wollte.
Wie konnte das kommen?
Wann hatte es angefangen?
Wie lange lief die Affäre schon?
Und, ganz wichtig: Was konnte die Kollegin bieten, was Kerstin nicht bieten konnte?
Was hatte Hans vermisst?
Ganz logische Fragen also, finde ich.
Hans aber will nicht reden. Er schweigt einfach und verweigert jedes Gespräch.
Seine Freundin sieht er weiterhin regelmäßig und lässt Kerstin das auch wissen. Oft bleibt er abends lange weg, verpasst das Abendessen oder ist auch gern mal die ganze Nacht verschwunden.
Und Kerstin dreht sich dann im Bett von einer Seite auf die andere und kann bis zum frühen Morgen nicht einschlafen. Ihre unerwiderte Liebe raubt ihr die Nachtruhe.
Denn sie weiß ja genau, wo ihr Hans ist und was er tut.Immer wieder hat Kerstin versucht, Fragen zu stellen, mehr zu erfahren, Dinge zu klären. Vergeblich. Irgendwann ist Hans dann auch richtig böse geworden.
Keine Diskussionen, die wolle er nicht. Punkt aus.
So sei es nun einmal.

Kerstin hat einen Therapeuten nach dem anderen aufgesucht, um eine Möglichkeit zu finden, mit dieser Situation umzugehen. Ihren Mann zurückzubekommen. Ihre unerwiderte Liebe zu einer erfüllten Liebe zu machen.
Was ich von solchen Strategien halte, habe ich ja schon mal erklärt.
Ganz besonders in einem Fall wie diesem.
Wenn Kerstin zur Ruhe kommt und sich auf sich selbst besinnt, wird sie langsam merken, wie furchtbar sie sich da von Hans – der schon lange nicht mehr ihr Hans ist und es vielleicht auch nie war – behandeln lässt.
Das ist nicht nur unerwiderte Liebe in diesem Fall. Ich sehe da ein ganz, ganz starkes Machtgefälle zugunsten von Hans, der die Situation – also Kerstins Abhängigkeit, denn als Liebe kann man das wohl kaum noch bezeichnen – nach Strich und Faden missbraucht.
Dabei hat Kerstin im Lauf der Jahre hat immer alles geschluckt, entschuldigt, schön geredet und dabei komplett das Gefühl für sich selbst verloren.
Aber unter dem Strich gibt’s da nichts schön zu reden.
Es ist nämlich überhaupt ganz und gar nicht schön.
Eine unerwiderte Liebe? Ich bezeichne es als Misshandlung. Eine ganz gemeine und widerwärtige Misshandlung.
Aber das kann Kerstin nicht gleich alles so verarbeiten. Sie ist immer noch im Schock durch die Aufdeckung der Affäre, kann sich selbst gar nicht richtig spüren und den Ernst der Lage auch gar nicht erfassen.
Kerstin muss ihren eigenen Schmerz erst einmal richtig zulassen, die Leere empfinden, die sich da in ihr breitgemacht hat. Und die eben genau von diesem egoistischen Mann verursacht wird, der sie mit so viel Verachtung behandelt.
Der so viel Macht über sie ausübt, dass Kerstin sein unmögliches Verhalten monatelang toleriert. Von wegen unerwiderte Liebe!
„Hans ist aber doch so perfekt für mich,“ sagt sie immer noch und immer wieder.
Kerstin leidet unter „selektiver Amnesie“.
Diese Illusion kann man nicht an einem Tag einfach so auflösen. Dazu wird Kerstin einige Zeit brauchen.
Irgendwann wird sie spüren, dass sie verletzt ist und warum sie verletzt ist. Sie wird das Feuer in sich spüren und feststellen, dass sie so viel mehr verdient hat als diese Ehe mit Hans.
Kleine Frage am Rand: Was ist in Kerstins Vergangenheit passiert, dass sie ein solches Verhalten überhaupt tolerieren konnte? Und dann auch noch so lange? Wie und wann hat sie sich an ein solches Verhalten gewöhnt, sodass sie es heute als mehr oder weniger normal empfinden kann?
Wie hat ihr Vater sich verhalten, ihr gegenüber und auch ihrer Mutter gegenüber?

Barbara Schmidt, M.A.
Mein Name ist Barbara, Paarberaterin und Gründerin der Online-Beziehungswerkstatt Albatros im Rahmen der Paartherapie Bremen. Ich helfe Dir bei schwierigen Eheproblemen oder wenn Du einfach mal eine Beziehungsberatung brauchst, aber keine Lust hast, dafür gleich eine jahrelange Therapie machen zu müssen.
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