Umgang mit unterdrückter Wut
Wenn ein Partner nur noch schweigt
Den Umgang mit unterdrückter Wut haben viele Paare nicht gelernt
Warum eigentlich nicht?
Schon Babys und Kleinkinder können wütend werden und das kann für ihre Umwelt sehr unangenehm und für die Eltern recht peinlich sein.
Die Wut ist in unserer Gesellschaft ein verbotenes Gefühl. Sie ist nicht angenehm, wird als negativ bezeichnet und generell als anstrengend erlebt.
Und zwar sowohl von der Person, die dieses Gefühl hat, also wütend ist, als auch von dem Empfänger. Und zwar nicht nur dann, wenn die Wut ungebremst ausgelebt wird, sondern oft auch dann, wenn sie sich verdeckt zeigt.

Was ist kein konstruktiver Umgang mit unterdrückter Wut
Wenn sich der Umgang mit unterdrückter Wut zum Beispiel als passive Aggression oder als Schweigen manifestiert oder auch nur so heftig in der Küche mit den Töpfen geklappert wird, als sei dort ein Erdbeben zugange. Oder der Staubsauger in Form eines akustischen Orkans genau in dem Augenblick lautstark anspringt, als die Lieblingsserie beginnt.
Das ist nun wirklich kein konstruktiver Umgang mit unterdrückter Wut.
Es ist auch kein guter Einstieg in ein konstruktives Gespräch.

Also ganz ehrlich: irgendwann sind wir alle mal sauer oder werden böse. Daher ist es gut, den Umgang mit unterdrückter Wut zu lernen.
Paare, die das nicht gelernt haben, entwickeln oft ausgesprochen wirksame Strategien zur Konfliktvermeidung. Denn die Konfrontation mit der Wut, dem Zorn ist ihnen unangenehm, vielleicht haben sie sogar Angst davor.
Helfen solche Vermeidungsstrategien wirklich?
Sie können auf die Dauer sehr anstrengend werden. Denn solche Vermeidungsstrategien sind ja lediglich „Umgehungslösungen“, mit denen man die eigentliche Wut und ihre Ursache mehr oder weniger elegant umsegeln kann, wie eine Untiefe im Wattenmeer, um nur nicht aufzulaufen.
Leider können diese Strategien jedoch am Ende sehr viel mehr Schmerzen verursachen als die ursprüngliche Wut es jemals getan hätte. Da hätte man doch besser mal den Stier gleich bei den Hörnern packen und den Umgang mit unterdrückter Wut lernen können!
Solche Paare diskutieren oft nicht mehr. Sie sprechen dann praktisch nur noch über das Wetter und wann die Kinder zur Schule müssen.
Nein, sie streiten nicht. Aber viel mehr kann man über diese Paarbeziehung dann auch nicht sagen.
Das ist natürlich auch eine Möglichkeit für den Umgang mit unterdrückter Wut. Aber so wirklich hilfreich ist das dann eben doch nicht.
Die Vermeidungsstrategien
Welche Vermeidungsstrategien kommen häufig vor?
Im Wesentlichen möchte ich mich hier an Andrew G. Marshall (1, siehe unten) orientieren, der im Wesentlichen vier Möglichkeiten nennt:
- Detachment (auf Deutsch: Distanziertheit beziehungsweise Leidenschaftslosigkeit)
- Rationalization (Rationalisieren)
- Skipping (Übergehen) und
- Blocking (Blockieren)
Detachment (Distanzierung)
Wenn Wut in einer Beziehung unterdrückt wird, kann dies zu emotionaler Distanziertheit führen. Ein Partner zieht sich zurück, zeigt wenig emotionale Beteiligung oder reagiert gleichgültig auf Konflikte. Dies dient oft als Schutzmechanismus, um sich nicht mit den eigenen aufgestauten Gefühlen auseinandersetzen zu müssen.
Rationalization (Rationalisieren)
Anstatt die eigene Wut wahrzunehmen und zu bearbeiten, neigt man dazu, sie intellektuell zu erklären oder zu rechtfertigen. Beispielsweise sagt sich jemand: "Mein Partner meint es nicht böse, ich reagiere wahrscheinlich über." Dadurch kann man sehr elegant vermeiden, sich mit den eigentlichen Emotionen auseinanderzusetzen, was langfristig zu weiteren Spannungen führen kann.
Skipping (Übergehen)
Unterdrückte Wut äußert sich oft darin, dass Konflikte oder emotionale Verletzungen nicht angesprochen, sondern einfach übersprungen werden. Ein Partner vermeidet Konfrontationen, indem er unangenehme Themen ignoriert oder sofort zu einem anderen Thema übergeht. Dies verhindert eine echte Klärung und kann dazu führen, dass sich unausgesprochene Konflikte anstauen.
Blocking (Blockieren)
Hierbei wird der Austausch mit dem Partner bewusst oder unbewusst verhindert. Das kann durch Schweigen, Verweigerung eines Gesprächs oder das emotionale Abschotten geschehen. In einer Beziehung, in der unterdrückte Wut eine Rolle spielt, kann dieses Verhalten ein Ausdruck von Frustration sein, aber auch eine Methode, um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Interessant finde ich, dass der englische Begriff „Detachment“ im Englischen zweierlei Konnotationen hat – einerseits die Distanziertheit als Folge des Rückzugs und andererseits die Leidenschaftslosigkeit.
Anders ausgedrückt: Partnerschaften und Ehen, in denen gar keine Reibung, keine Diskussion, keine Auseinandersetzung möglich ist, ersticken sehr oft und sterben sozusagen den „Wärmetod“. Dies bedeutet nicht, dass die Temperatur der Beziehung steigt. Vielmehr nähert sie sich einem Wert an, der irgendwann nur noch konstant ist und gar nicht mehr schwankt.
Ja, da ist dann ein Gleichgewicht erreicht.
Aber was habt Ihr davon? An diesem Punkt ist Euch die Leidenschaft bereits völlig abhanden gekommen.
Das absolute Gleichgewicht: Der Wärmetod des Universums
Wikipedia beschreibt den Wärmetod wie folgt: Damit erreicht die Temperatur am Ende einen Wert, der überall genau gleich ist, …. was dann im Wärmetod des Universums endet. Der Wärmetod ist ein von Rudolf Clausius 1867 eingeführtes Bild für den Zustand […] des finalen thermischen Gleichgewichts des Universums.
Gemäß dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik enthält ein abgeschlossenes System im thermischen Gleichgewicht ein höchstmögliches Maß an Entropie [das ist ein Maß für die Unordnung des Systems, meine Anmerkung]. Zudem kann die Entropie in einem solchen System zwar gleich bleiben oder zunehmen, aber niemals abnehmen. Wenn die maximale Entropie erreicht ist, fehlt der Antrieb für makroskopisches Geschehen im System. Das System nähert sich einem statischen, „toten“ Zustand.
Unter der Annahme, dass unser Universum ein abgeschlossenes System ist, bedeutet dies, dass alles Leben im Universum irgendwann einmal erlöschen wird. Dies wird auch als der „Wärmetod des Universums“ bezeichnet.
Die Wut im Tiefkühlfach
„Nur meinen Zorn nicht zeigen, wenn ich wütend bin. Einfach die ganze Sache unterdrücken und gut ist.“
„Ist ja auch alles nicht so wichtig. Nicht so schlimm. Einfach auf Eis legen.“
Da haben wir’s.
Auch dies kommt oft vor: Einer sagt nichts mehr und der andere redet immer mehr. Oder verfällt irgendwann auch in Schweigen und wird dann eventuell depressiv.
„Er hört ja doch nicht zu,“ wird mir dann häufig berichtet.
Und derjenige, der angeblich nicht zuhört, gibt es irgendwann selbst auf und schweigt ebenfalls.
Wer in einer solchen Paarbeziehung leben muss, der braucht keine Klimaanlage mehr.
Wer nämlich seine so genannten „negativen“ (also gesellschaftlich unerwünschten) Gefühle auf Eis legt, der riskiert eben auch, dass die positiven (gewünschten) Gefühle ebenfalls dort enden.
„Ich wurde einfach immer stiller und irgendwann sind alle meine Gefühle regelrecht abgestumpft“, so hat es vor Jahren eine Klientin formuliert.
Beim Rationalisieren versuchen die Beteiligten, ihre Frustrationen mit logischen Argumenten zu beheben. Solche Paare reden oft in gemäßigtem Ton miteinander, aber das emotionale Klima ist eisig.
Bei der Technik des Übergehens (Skipping) wird versucht, das fragliche Gefühl so schnell wie möglich wegzustecken. Man gibt den Emotionen praktisch gar keinen Raum mehr, sondern versucht, den vorhandenen Konflikt so schnell wie möglich zu lösen, um dann zur Tagesordnung übergehen zu können. Dabei gibt es dann zwar kein Herumschreien, aber auch kein wirkliches Verständnis für die Dynamik in der Beziehung. Beide Partner bleiben mit einem schalen Gefühl zurück.
Beim Blockieren wird einer der Partner wütend, der andere jedoch entzieht sich effektiv jeder Diskussion. Er schweigt, muss plötzlich zur Toilette oder schnappt sich die Fernbedienung und erhöht die Lautstärke des Geräts bis zu einem Level, an dem ihn akustisch nichts mehr erreicht.
Partner, die nicht diskutieren und ihre Wut nicht verarbeiten, den Umgang mit unterdrückter Wut nicht lernen, laufen große Gefahr, dass ihre gesamte Kommunikation irgendwann einschläft. Sie haben dann praktisch nur noch die Möglichkeit, in einer freudlosen Ehe oder Partnerschaft zu verharren, die ihnen keinen Spaß mehr macht – oder sich zu trennen.
Mal gar nicht zu reden von den möglichen Nebenwirkungen, die alle erleben können, die ihre Wut immer nur hinunterschlucken und den Umgang mit unterdrückter Wut nicht gelernt haben: Kopfschmerzen, Geschwüre, Nervenleiden und Depressionen. Auch Herzprobleme sind nicht selten.
Durch das Vermeiden von Argumenten kann man sich sehr viele Diskussionen sparen, dafür aber jede Menge Nebenwirkungen einhandeln!

Wenn Du Deine eigene Wut an Dir nicht magst, sie grundsätzlich ablehnst, kann es sein, dass sich im Lauf der Zeit eine Menge Zorn bei Dir ansammelt, der sich dann irgendwann seinen Weg nach außen bahnt. In Form eines großen Wutanfalls, den Dein Partner oder Deine Partnerin sich unter Umständen überhaupt nicht erklären kann.
Denn da hat dann ein vergleichsweise unwesentliches Ereignis das berühmte Fass zum Überlaufen gebracht.
Blöd gelaufen natürlich, wenn Dein Partner oder Deine Partnerin gar nicht gewusst hat, dass es ein solches Fass überhaupt gab.
Was ist also ein konstruktiver Umgang mit unterdrückter Wut?
Sollen wir einfach mal billiges Geschirr kaufen und das dann durch die Wohnung werfen?
Nein. Tief fliegende Teller helfen Euch nicht!
Es geht hier, wohlgemerkt, nicht darum, sich als Paar künstlich öfter zu streiten oder auch seine eigene schlechte Laune ungebremst auszuleben.
Die Kunst besteht vielmehr darin, deutlich - und auch rechtzeitig! - mitzuteilen, was Du brauchst oder Dir wünschst. Mehr zum konstruktiven Umgang mit unterdrückter Wut erfährst Du weiter unten.
(1) Andrew G. Marshall: I love you but I’m not in love with you. Bloomsbury, 2016

1. Die Wut wahrnehmen und anerkennen
Viele Menschen verdrängen ihre Wut aus Angst vor Konflikten oder aus dem Wunsch heraus, harmonisch zu bleiben. Doch wer seine Gefühle nicht zulässt, blockiert auch die Möglichkeit, Probleme zu lösen. Der erste Schritt ist daher, die eigenen Emotionen bewusst wahrzunehmen und sich zu erlauben, wütend zu sein.
2. Hinter die Wut blicken
Wut ist oft nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter stecken oft tiefere Gefühle wie Verletzung, Enttäuschung oder Angst. Anstatt den Partner direkt zu konfrontieren, hilft es, sich selbst zu fragen: Was genau macht mich wütend? Welche unerfüllten Bedürfnisse oder Ängste stecken dahinter?
3. Die richtige Ausdrucksform finden
Unterdrückte Wut kann zu Verhaltensmustern wie Distanziertheit (Detachment), Rationalisierung, Übergehen (Skipping) oder Blockieren (Blocking) führen. Diese verhindern jedoch eine echte Lösung. Stattdessen ist es wichtig, Wut auf eine respektvolle Weise auszudrücken. Formuliere deine Gefühle in „Ich-Botschaften“, z. B.: „Ich fühle mich verletzt, wenn du meine Meinung nicht berücksichtigst.“

4. Aktive Lösungsstrategien entwickeln
Wut kann eine Chance sein, um Missstände in der Beziehung zu erkennen und Veränderungen herbeizuführen. Überlegt gemeinsam, welche Bedürfnisse beide Partner haben und wie diese besser berücksichtigt werden können. Auch Techniken wie Atemübungen, Bewegung oder Tagebuchschreiben können helfen, Wut auf gesunde Weise zu verarbeiten.
Fazit
Wut ist keine negative Emotion – sie zeigt, dass etwas nicht stimmt. Entscheidend ist, wie wir mit ihr umgehen. Wer lernt, seine Wut bewusst wahrzunehmen, hinter die Emotionen zu blicken und sie konstruktiv zu kommunizieren, kann nicht nur Konflikte lösen, sondern auch eine tiefere Verbindung in der Beziehung schaffen.

Barbara Schmidt, M.A.
Mein Name ist Barbara, Paarberaterin und Gründerin der Online-Beziehungswerkstatt Albatros im Rahmen der Paartherapie Bremen. Ich helfe Dir bei schwierigen Eheproblemen oder wenn Du einfach mal eine Beziehungsberatung brauchst, aber keine Lust hast, dafür gleich eine jahrelange Therapie machen zu müssen.
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