Affäre beenden
3 wichtige Hinweise für die Trennung
Die Affäre beenden...
auch wenn man das eigentlich gar nicht will.
Und warum auch jetzt? Vielleicht kann die Sache ja ruhig noch eine Weile weiterlaufen.
Denn es ist ja so gemütlich.
Und schmerzfrei.
Oder?

Manchmal eine gute Idee: eine Affäre beenden, bevor sie überhaupt beginnt
Im September 2023 saß ich mit einem Freund beim Griechen, draußen auf der Terrasse, denn es war ein lauer Sommerabend im September, vielleicht der letzte dieser lauen Abende in diesem Jahr, das Essen war gut und die Unterhaltung auch.
Viele der anderen Gäste waren mit dem Fahrrad gekommen, das ist so praktisch, da kann man was trinken, und hier auf dem Dorf wird ja auch nicht so viel geklaut, da reicht es, wenn man zwei Räder aneinander festmacht und gut ist. Besonders, wenn man als Paar miteinander ausgeht, da kommt man sowie gemeinsam an und fährt auch gemeinsam wieder weg.
So wie diese beiden, die ich da schräg gegenüber von unserem Tisch beobachten konnte. Ein schönes Paar, beide gut durchtrainiert, kein Wunder, sie hatten ja auch ihre Sporttaschen mit. Wahrscheinlich kamen sie gerade aus der Muckibude, den Eindruck machten sie jedenfalls auf mich.
Gemeinsam suchten sie sich also einen Tisch, irgendwo hinter mir, da konnte ich sie nicht sehen und habe sie auch schon bald vergessen.
Ein Weinglas später tauchten sie dann wieder in meinem Blickfeld auf, gingen zu ihren Fahrrädern, schlossen sie auf und fuhren – zwei Meter weit. Dann blieben sie stehen, in einem gewissen Abstand, sprachen freundlich miteinander, fuhren wieder einen Meter weit und blieben wieder stehen.
Jetzt war meine Neugier geweckt.
Die beiden redeten und redeten und wollten sich mal nicht von der Stelle bewegen. Das alles aber ganz ohne Annäherung, keine körperlichen Berührungen und keine Küsse. Eventuelle verliebte Blicke konnte ich im Dunkeln allerdings nicht sehen und mich dazu also auch nicht äußern.
Letztlich fuhren die beiden bis zur nächsten Kreuzung, dort, wo die am Abend verwaiste Polizeidienststelle ist. Dort lenkte er ganz deutlich nach links und sie verschwand nach rechts um die Hausecke der Polizei. Dies war also offensichtlich der Scheidepunkt, hier mussten sie sich trennen. Für diesen Abend zumindest. Kein Ehepaar also.
Während er wegfuhr, drehte er sich noch mehrmals um – ob sie das auch tat, kann ich nicht beurteilen.
An einem Freitagabend, so sollte man denken, könnten zwei Menschen, die mehr oder weniger ineinander verliebt sind, doch auch gemeinsam nach Hause fahren, oder nicht? Oder jedenfalls zumindest einander berühren, sich auch körperlich ein wenig näherkommen?
All das ist nicht geschehen.
Also haben sie beide, so dachte ich mal hypothetisch, oder hat mindestens einer von ihnen einen Partner / eine Partnerin zuhause beziehungsweise sind sie beide verheiratet. Wie die Sache weiterging, weiß ich natürlich nicht.
Aber dieser Mann und diese Frau standen dort ganz eindeutig am Scheideweg.
An diesem lauen Septemberabend fiel dort an der Ecke der Polizeidienstelle eine – wenn auch vorläufige – Entscheidung. Was tun wir, wie gehen wir damit um, mit dieser Attraktion zwischen uns? Wir können miteinander Sport treiben, einen Wein trinken, uns gut unterhalten. Kann und soll da mehr draus werden oder doch lieber nicht?
Wenn wir uns nächste Woche wiedersehen beim Sport, wie verhalten wir uns dann? Wird eine Affäre daraus? Und wenn ja, welche Konsequenzen hat das für jeden von uns? Welche Konsequenzen wollen wir daraus ziehen?
Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, die Sache gar nicht erst zu intensivieren beziehungsweise sofort oder jedenfalls nach den ersten intimen Treffen abzubrechen. Die Affäre beenden also.
Meistens ist das die Entscheidung desjenigen, der fremdgeht (falls es nur einer von beiden ist). Auch wenn es wehtut, wenn man es bis in die hinterste Ecke seines Herzens bedauert – so bleibt es dann doch dabei, dass es eine romantische, vielleicht sogar sexuelle Erfahrung war. Dass daraus aber keine sehr intensive Bindung entsteht.
Die Affäre beenden, noch bevor es eine Affäre ist.
Und dass die bestehende Partnerschaft oder Ehe dadurch nicht gefährdet wird. Vielleicht braucht man das also noch nicht einmal zu beichten, jedenfalls wenn es wirklich nur kurz war, sondern man kann es als wichtige Erinnerung mit sich nehmen und später gern darauf zurückschauen.
Nachdem man sich entschieden hat, die Affäre beenden zu wollen.
Die Gefahr besteht darin, dass man diese Entscheidung hinauszögert und dadurch verschleppt.
Das kann durchaus passieren, wenn man sich beispielsweise nicht traut, den Kontakt zu beenden. Da ist dann nichts mit „Affäre beenden“.
Nicht heute, sagst Du Dir dann vielleicht, es ist so schön mit uns, das mache ich nächste Woche, da setze ich einen Schlussstrich, ganz sicher! Ich weiß ja, dass diese Affäre keine Zukunft hat, ich will das auch gar nicht. Ich will meine Ehe nicht zerstören. Und dann auch noch die Kinder …
Gar nicht daran zu denken! Die Affäre beenden also.
Vielleicht redest Du Dir jedoch ein, es sei ja aber gar keine Affäre. Alles total unschuldig! Ist doch nichts passiert, oder? Die Affäre beenden? Wozu? Wenn’s doch gar keine Affäre gibt?
Eine solchermaßen verschleppte Entscheidung kann auf Dauer zum eigentlichen Problem werden. Nicht die flüchtige Verliebtheit ist dann das Drama, sondern die Nichtentscheidung.
Bis daraus irgendwann eine richtige emotionale Beziehung entsteht, die einen fesselt, bevor man es richtig merkt. Und die sich dann nicht mehr einfach so auflösen lässt, oft von beiden Seiten nicht.
Dann wird die abrupte Trennung trotz großer Verliebtheit zu einer gewaltsamen Radikallösung. Wobei man, um dies überhaupt bewältigen zu können, den Kontakt eigentlich sofort komplett abbrechen muss, also auch den im Fitnessstudio oder im Verein oder beim Schützenfest. Um sich überhaupt wieder selbst fangen und dadurch die Affäre beenden zu können.
Außerdem – und das übersehen viele – geht an einer solchen Nichtentscheidung häufig auch die ursprüngliche Partnerschaft oder die Ehe zugrunde. Auch dann, wenn sie auf dem Papier noch jahrelang besteht.
Denn psychologisch gesehen ist das Ereignis noch nicht zu Ende, es schwelt da gewaltig vor sich hin. Und beide Partner spüren das doch irgendwo, auch wenn es nicht ausgesprochen wird, und sind dann enttäuscht, wütend, unsicher oder verzweifelt.
Genau das aber untergräbt die Paarbeziehung gewaltig.
Wenn es also darum geht, eine Affäre zu beenden, am besten bevor sie überhaupt richtig aufflammt, sollte man gut nachdenken. Und im Zweifelsfall auch entschieden handeln, bevor man sich langjährige Probleme einbrockt.
Verliebtheit allein ist kein Argument!
Für die eigene Seelenruhe ist es also empfehlenswert, Dich und Deine Wünsche rechtzeitig zu reflektieren. Und auf der Basis eine Entscheidung zu treffen und diese dann auch umzusetzen.
Dafür ist es wichtig, Dir darüber klar zu werden, was Du eigentlich selbst genau willst. Die Affäre beenden oder nicht. Laut Jellouschek* geht es hier nicht um die Moral Deiner Eltern, Deiner Freunde oder der Gesellschaft, sondern vielmehr um die Moral der Übereinstimmung mit Dir selbst. „Danach ist es unmoralisch“, so schreibt Jellouschek, „zu geben, was man nicht geben kann, auch wenn es der andere noch so dringlich verlangt. Beziehungen kommen dadurch nicht in Ordnung, sondern verstricken sich immer mehr.“
Laut Jellouschek kann das also Deine Beziehung durchaus vergiften. Genau aus dem Grund ist es in meinen Augen so wichtig, Dir darüber klar zu werden, was Du wirklich willst.
Sodass Deine Entscheidung (die Affäre beenden oder nicht) aus dem Herzen kommt und nicht aus Deinem schlechten Gewissen.
*Hans Jellouschek, Im Irrgarten der Liebe, Herder 2012
Herzliche Grüße von Barbara.

Die Affäre beenden: Wer ist dafür verantwortlich?
Was, wenn man keine Entscheidung treffen kann?
Gestern hat mich spät noch meine Freundin Claudia angerufen. Ganze zwei Stunden lang haben wir telefoniert. Obwohl ich eigentlich ja mit dem Hund rausgehen wollte. Aber da gab es ein Thema, das war ihr eben furchtbar wichtig.
Langsam wurde ich allerdings ein wenig ungeduldig.
Denn am Abend davor hatte Claudia mich auch schon angerufen. Auch da haben wir zwei Stunden lang telefoniert. Über das gleiche Thema. Eine Entscheidung treffen!
Es ging dabei ausschließlich und pausenlos um einen Mann. Den Mann, den Claudia vor einigen Wochen kennengelernt hat. Und der sooo wunderbar ist. Unglaublich. Seelenparter und Blutsbruder. So romantisch und schön!
Dieser Mann hat Claudia nun zu einem Wochenende an die Nordsee eingeladen. Mit Übernachtung und allem drum und dran. Claudia freut sich einen Stiefel!
Die Sache ist nur die, der Mann heiratet in einigen Wochen.
Aber nicht Claudia.
Was sollte ich dazu sagen?
Was würdest Du sagen?
Erst einmal habe ich Claudia zu einem Wochenende an die Ostsee eingeladen. Ohne den Mann, stattdessen aber mit mir.
Klar wird ein solches Wochenende unter Freundinnen weit weniger romantisch für sie. Dafür aber umso ehrlicher.
Denn ich betrüge Claudia nicht.
Ich sage ihr, was ich meine. Zu diesem Thema und auch sonst.
Denn wie sieht ihre Perspektive aus, wenn sie diese „Beziehung“ fortführt?
Das hat Martina erfahren, eine weitere Freundin von mir. Auch Martina hat vor einiger Zeit einen Mann kennengelernt, bei dem sie glaubte, dass sie für einander bestimmt waren. Für Martina hing der Himmel wochenlang voller Geigen, Trompeten, Celli und ganzen Orchestern. Mit Dirigent.
Bis der fragliche Mann ihr im alkoholtrunkenen Zustand irgendwann erklärte, er lebe in einer festen Partnerschaft mit einer anderen Frau. In Martinas Fall stand also nicht unbedingt eine Hochzeit bei ihm an, aber in jeder anderen Hinsicht war die Situation komplett vergleichbar mit den kürzlichen Entwicklungen bei Claudia.
Natürlich war das ein absoluter Tiefschlag für Martina, plötzlich fiel sie von ihrer Wolke 7 und landete hart auf dem Boden der Realität. Zu diesem Zeitpunkt war sie allerdings schon so verliebt, dass sie sich letztendlich entschloss, die Sache dann eben als Affäre weiterzuführen. Obwohl ich ihr davon abgeraten habe – aber wer bin ich schon? Ich könne das doch gar nicht beurteilen. Es sei so eine besondere und ganz spezielle Liebe…
Martina jedenfalls vertraute dem Mann und hoffte darauf, dass er sich irgendwann trennen würde. Ja, das werde ganz bestimmt passieren, erklärte sie mir mit voller Überzeugung.
Er sei so ein guter Mann und so ehrlich. Er werde schon noch eine Entscheidung treffen.
Dann plötzlich hatte er eine neue Handynummer. Eigentlich keine große Sache – nur hat er eben Martina diese Nummer nicht mitgeteilt. Wenn er sie anrief, dann nur mit unterdrückter Nummer. Sie konnte ihn also gar nicht mehr von sich aus kontaktieren, ihm keine WhatsApp – Nachrichten schreiben. Nichts. Vollblockade.
Mit der Begründung, seine Frau habe das alte Handy überprüft, die Affäre hätte auffliegen können. Er aber wolle die Sache mit Martina eben erst dann offenlegen, wenn für ihn die Zeit reif sei. Wenn er sich absolut sicher sei, fortan mit Martina leben zu wollen. Und auch Martina sich absolut sicher sei, dass diese Beziehung langfristig Bestand haben würde.
Da wollte er wohl mal eine Entscheidung treffen.
Martina wartete nun also ständig darauf, dass er sich meldete. Für mich hatte sie keine Zeit mehr, denn ihr Handy musste ja ständig und ununterbrochen für ihn erreichbar sein.
Tag und Nacht.
Irgendwann habe ich dann rebelliert. Ob ihr noch etwas an unserer Freundschaft liegt, habe ich sie gefragt. Du kannst doch wohl mal einen Abend mit mir ausgehen, habe ich gesagt. Was willst du mit so einem Kerl, habe ich gerufen.
Daraufhin sind wir dann mal ins Theater am Goetheplatz in Bremen gegangen und haben hinterher noch eine Kleinigkeit beim Türken gegessen. Die Handys ausgeschaltet und stattdessen die laue Sommernacht mit ausgelassenem Gelächter genossen wie früher, es war schön. Als ich nach Hause fuhr, habe ich vor mich hin gesummt und gedacht, das wird schon noch mit Martina.
Bereits unterwegs hatte sie ihr Handy wieder eingeschaltet und mehr als 20 Nachrichten vorgefunden. Alle von diesem einen Mann. Ich will ihn jetzt mal Peter nennen. Mit einer dicken Entschuldigung an alle netten Peters dieser Welt. Von denen ich auch einige kenne. Aber irgendeinen Namen muss ich ihm geben.
Eine Entscheidung treffen? Pustekuchen!
Peters Nachrichten auf Martinas Handy jedenfalls waren abwechselnd freundlich und verzweifelt, und er behauptete letztendlich mit fortschreitender Stunde, sie wolle ihn wohl gar nicht mehr sehen. Unter diesen Umständen könne man die Affäre ja auch gleich beenden.
Martina hat ihn sofort zurückgerufen, leider vergeblich. Er nahm ihre Anrufe nicht an.
Daraufhin war meine Freundin so erschrocken, dass sie ihr Handy niemals wieder aus den Augen ließ und es schon gar nicht abstellte. Theaterbesuche und andere Dinge waren somit nicht mehr möglich. Sie hatte solche Angst, er könnte sich melden und sie würde es verpassen und nicht gleich für ihn erreichbar sein. Und mitten in der Vorstellung das Handy klingeln lassen und womöglich auch noch drangehen – nein, das wollte ich wiederum nicht.
Martina war also für ihn in gleicher Weise verfügbar, in der er umgekehrt für sie nicht erreichbar war. Aber darüber wollte Martina nicht reden. Das ginge mich nichts an, meinte sie. Darüber könne ich nicht urteilen.
Eine Entscheidung treffen? Niemals!
Stattdessen hat Martina alle Termine abgesagt, traf sich mit niemandem mehr und traute sich kaum noch, einkaufen zu gehen. Da sie an der Kasse ja nicht ständig das Handy zücken konnte.
Sämtliche Familienfeiern fielen flach
Auf Geburtstagen erschien sie nicht mehr. Absolute Funkstille, was Martina betraf.
An den Wochenenden und an ihren freien Tagen hat sie die Wohnung nicht mehr verlassen. Denn ihr Handy war kaputt und sie war somit nur noch über Festnetz erreichbar. Und da musste sie ja wohl zuhause bleiben. In dieser Zeit konnte Martina noch nicht mal Eis essen gehen. Und der Sommer war echt heiß.
Peter selbst aber hatte immer weniger Zeit für Martina. Zu Beginn hatten sie sich sogar teilweise nächtelang getroffen – nun waren ihre Rendezvous auf etwa eine Stunde begrenzt.
Martina weinte ständig. Aber eine Entscheidung treffen? Nö.
Peter wiederum warf ihr das dann vor und beschwerte sich, das würde ihn belasten und sein Leben sei schon schwierig genug. Und überhaupt könne sie gar nicht sehen und würdigen, wie schön und liebevoll und speziell diese Sache zwischen ihnen sei und was sie aneinander hätten.
Sie sei eben labil und psychisch angeknackst.
Und überhaupt solle sie ihm Zeit und Raum geben, eine Entscheidung treffen zu können.
An dieser Stelle will ich die Schilderung der weiteren Entwicklung mal etwas abkürzen. Natürlich hatte Peter viele und immer wieder neue Argumente, warum er sich nicht für eine gemeinsame Zukunft mit Martina entscheiden konnte. Die Arbeit, die Finanzen, seine Gefühle, die psychischen Probleme, die er bei Martina zu diagnostizieren meinte.
Und überhaupt, Affären seien doch vollkommen normal
und Martina solle sich doch bitte mal endlich an den Gedanken gewöhnen und damit abfinden.
Eine Entscheidung treffen, das war wohl nicht.
Als ich Martina das nächste Mal besuchte, war das nicht bei ihr zuhause, sondern in der Psychiatrie. Im Klinikum Bremen-Ost, um genau zu sein.
Martina berichtete mir, sie sei wütend auf sich selber, dass sie dieses Verhalten von Peter geduldet hatte und auch, dass sie den Peter so sehr liebte. Immer noch übrigens. Trotz der extremen Angstzustände, die ihr wochenlang den Schlaf geraubt hatten. Trotz der Depressionen, die sie letztlich in die Psychiatrie gebracht hatten.
Eine Entscheidung treffen konnte sie immer noch nicht.
Sie beschuldigte Peter aber auch, diese Affäre überhaupt angefangen und sie zu Beginn getäuscht zu haben. Mit falschen Versprechungen, Lügen und Geheimniskrämerei. Außerdem sei er nicht in der Lage gewesen, eine Entscheidung treffen zu können.
Was hat dich denn daran gehindert, ihn einfach zu verlassen, habe ich Martina gefragt.
Die Hoffnung, sagte sie mir. Die Hoffnung, dass er seine feste Beziehung aufgeben und mit ihr, Martina, zusammenziehen würde. Friede Freude Eierkuchen.
Wenn sie nur geduldig genug sei, ihm die Entscheidung überließ, ruhig wartete und nicht, wirklich niemals die Fassung verlor. Sich immer beherrschen konnte, egal was er tat. Dann würde am Ende das absolute Glück auf sie warten. Davon war sie überzeugt.
Hinzu kam, so sagte sie mir allerdings erst später, die Angst vor dem Alleinsein. Merkwürdig, denn Martina war ja de facto allein. Dennoch – sie wollte geliebt und gebraucht werden, das war ganz wichtig, und das Gefühl bekam sie eben nur von diesem Mann. Sie hatte den Eindruck, dass sie ihm etwas bedeutete.
So lange, bis sie überhaupt keine eigenen Entscheidungen mehr treffen konnte und Antidepressiva nahm, um überhaupt noch funktionieren zu können.
Bis auch das nicht mehr funktionierte und sie in der Klinik landete. Noch Jahre später hatte Martina größte Schwierigkeiten, sich wieder auf eine neue Beziehung einzulassen. Immer wenn sie jemanden traf, ging sie unwillkürlich davon aus, dass derjenigen eine feste Partnerin oder Ehefrau hatte.
Eine dramatische Entwicklung
Nur weil keiner der Beteiligten eine Entscheidung treffen konnte oder getroffen hat.
Wer war denn nun eigentlich dafür verantwortlich, eine Entscheidung zu treffen? Was meinst Du?
Und welche Entscheidung sollte das sein?
Die Verantwortung der Therapeuten und Berater
Ehrlichkeit in der Beratung – gewünscht oder unerwünscht?
Was wünschst Du Dir in diesem Zusammenhang eigentlich von Deinem Berater oder Deiner Beraterin? Soll er/sie auf Deiner Seite stehen, Dich in jeder Hinsicht unterstützen, jederzeit für Dich da sein und Dir immer Recht geben, in allem, was Du tust? Ist es das, was Du unter der Verantwortung der Therapeuten verstehst?
In späteren Sitzungen – zum richtigen Zeitpunkt – würde ich der Frau auch ganz klar mitteilen, dass sie sich in meinen Augen hoffnungslos erniedrigte und sich mit dem Sex im Auto mehr oder weniger in die Rolle einer Prostituierten versetzte. Unbezahlt, versteht sich.
Ganz wichtig aber: Sie machte sich langfristig abhängig von dem Mann.
Es gab für mich natürlich die Möglichkeit, Stella das selbst herausfinden zu lassen. Einfach abzuwarten.
Nur: Das konnte sie im Extremfall Jahre ihres Lebens kosten.
Mit inzwischen zunehmender emotionaler Abhängigkeit von diesem Mann.
Und sie hatte mich ja nun einmal um Hilfe gebeten. (Und da greift, ganz klar, die Verantwortung der Therapeuten und Berater).
Stella, verheiratet mit Kind, hatte mich kontaktiert und um Hilfe gebeten, weil sie in ihrer Affäre unglücklich war. Noch mehr als in ihrer Ehe.
Wozu dann also die Affäre? Das ist die Frage.
Stella hatte sich emotional stark auf ihre Affäre eingelassen
So stark, dass es ihrem Ehemann bereits aufgefallen war, obwohl er laut Stella nichts von der Affäre wusste. Aber zuhause war sie geistig wohl oft abwesend, auffallend müde und vergesslich und weinte viel.
Was natürlich auch auf das Kind abfärbte, das zu diesem Zeitpunkt noch relativ klein war.
Wie konnte das so kommen?
Stella hatte sich irgendwann mal mit einem alten Schulfreund getroffen, der früher mal in sie verliebt gewesen und inzwischen aber selbst ebenfalls verheiratet war. Bei dieser Gelegenheit hatten sie sich dann begeistert miteinander unterhalten, stundenlang, und das beide sehr genossen.
Also wurde ein weiteres Treffen vereinbart.
Und dann noch ein Date (ja, inzwischen war es tatsächlich zu einem Date geworden).
Und irgendwann landeten sie im Bett.
So kann das kommen.
Nun war aber Stella nach einiger Zeit so geschlaucht von der ganzen Angelegenheit, dass sie kaum noch schlafen konnte und außerdem ständig und andauernd Rückenschmerzen hatte.
(An dieser Stelle klingeln alle Glocken, was die Verantwortung der Therapeuten und Berater betrifft!).
Dabei war es gar nicht mal das schlechte Gewissen wegen der Affäre, das sie so schlauchte.
Sondern das Verhalten ihres Affärenmannes selbst.
Mit ihm traf sie sich gelegentlich zum Sex, oder er traf sich mit ihr, wie man es nimmt. Denn er war es, der die Termine und Zeiten festlegte, ein stark beschäftigter Unternehmer, Stella musste das verstehen.
Auch dass er bei ihren Treffen zwischenzeitlich telefonierte, gehörte ganz selbstverständlich dazu.
Irgendwann wurde es Stella dann aber doch aber zu viel und sie zog sich zurück.
Daraufhin kamen Liebesbriefe.
Einer nach dem anderen.
Telefonate.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Stella wurde schwach. Immer wieder.
Wenn er anrief, stand sie für ihn bereit.
Und zwar – da muss ich jetzt mal einhaken und das habe ich auch erst an diesem Punkt überhaupt erfahren – nur und ausschließlich zum Sex.
Nicht zum Abendessen. Nicht fürs Kino. Und schon mal gar nicht für die Oper.
Nein, zum Sex. Und dieser spielte sich ab: im Auto. Auf irgendeinem Parkplatz. Im Dunkeln.
Was das Abendessen betraf, hat er ihr noch nicht mal eine Stulle mitgebracht.
Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als Stella mir das so berichtet hat. Zusammen mit dem Hinweis, es sei ja immer so schön mit ihm.
(Ja, und auch hier greift die Verantwortung der Therapeuten und Berater! Dies ist ein ganz großes rotes Warnzeichen!).
Ich fand es überhaupt nicht schön, was er da mit ihr machte (und es ist durchaus die Verantwortung der Therapeuten, darauf hinzuweisen)
Ob ich glaubte, dass er Gefühle für sie habe, fragte mich Stella.
Das könne ich nicht wissen, meinte ich wahrheitsgemäß. Nur –
Aber Stella redete bereits weiter, hektisch, als wolle sie nicht unterbrochen werden, als solle keinesfalls irgendein Zweifel aufkommen.
Sie habe ja bereits eine Kontaktsperre eingeführt. Mehrmals sogar. Immer dann, wenn er sich tagelang nicht bei ihr meldete, keine WhatsApp-Nachricht, kein Smiley, nichts. Dies sei die einzige Möglichkeit für sie, herauszufinden (“herauszukitzeln” nannte sie das), ob er überhaupt Gefühle für sie habe und wie stark diese seien.
Nun, daraufhin habe er sich jedesmal auch wieder bei ihr gemeldet.
Ganz lieb.
Briefe geschrieben. Mit der Hand. Auf Papier. Echte Briefe! Muss man sich mal vorstellen.
Mit Herzchen drauf.
Und er habe gesagt, er könne nicht ohne sie leben. Er liebe sie so sehr und vermisse sie, wenn sie nicht da sei.
Da habe sie sich dann eben auch wieder so gefreut. Dass er sie ganz von selbst kontaktiert hat. Auf sie zugegangen ist.
Denn sie sei eben auch so furchtbar traurig gewesen in der Zeit der Kontaktsperre.
Sie habe schon mehrmals gedacht, es sei alles vorbei.
Trotzdem trafen sie sich auch danach immer wieder zum Sex im Auto, auf irgendwelchen Parkplätzen
Danach war dann wieder einige Zeit Funkstille.
Was Stella nicht verstehen konnte. Außerdem hatte sie den Eindruck, keinerlei Einfluss mehr zu haben. Er bestimmte, und was er sich wünschte, das passierte dann auch so.
Irgendwann hatten sie zum Beispiel eine ganze Woche lang nicht telefoniert und Stella wünschte sich nichts sehnlicher, als einmal – wenn auch nur kurz – mit ihm sprechen zu dürfen.
“Aber natürlich frage ich nicht danach,” sagte sie mir.
Was sie sich von mir wünschte? Konkrete Handlungsanweisungen für ihr Verhalten. Denn sie wolle ihn ja nicht verschrecken.
Stella war ganz eindeutig der Auffassung, es sei die Verantwortung der Therapeuten und Berater, hier Hilfestellung zu leisten.
“Wäre es empfehlenswert,” fragte Stella, “wenn ich gar keine Kommunikation von mir aus beginne oder mich auf eine bestimmte Art ausdrücke oder das nächste Treffen – falls es überhaupt dazu kommt – absage oder mich verspäte oder sonstwie Desinteresse zeige? Um sein Interesse zu steigern? Dass er sich wieder mehr an mich bindet?”
Mir wurde schon beim Zuhören fast schwindelig. Es hörte sich alles so furchtbar kompliziert an.
Ich fragte Stella, was sie mit solchen Taktiken bezwecken wolle.
“Dass er sich mehr bemüht,” sagte Stella.
Ich fragte Stella, was der Affärenmann für sie bedeutete.
Meiner Ansicht nach liegt es schon in der Verantwortung der Therapeuten und Berater, sich nicht ganz neutral aus der Sache herauszuhalten. Sondern deutlich darauf hinzuweisen, dass hier etwas ganz gewaltig nicht stimmt.
Natürlich mit einer gewissen Vorsicht. Im besten Fall kann ich das Gespräch so führen, dass Stella selbst auf die Idee kommt.
“Der Kontakt ist wahnsinnig schön,” sagte Stella. “Wir haben ja die gleichen Fantasien und haben uns vorgestellt, zusammen auf einer Mittelmeerinsel…” Sie schaute an die Decke und seufzte.
Ich wartete ab.
“Er war ja immer für mich da,” fuhr Stella fort. “Wenn ich Probleme hatte mit meinem Ehemann, konnte ich mit meinem Affärenpartner darüber sprechen. Er hat mit mir telefoniert. Ich fühlte mich bestätigt und attraktiv. Ich w
Also habe ich versucht, ihr meine Auffassung so vorsichtig wie möglich mitzuteilen.
Und ich habe ihr letztlich auch gesagt, dass wir aus meiner Sicht an ihrer Unabhängigkeit und der Ablösung aus diesem unheilvollen Verhältnis arbeiten sollten und nicht daran, wie sie diesen Mann immer wieder zurückerobern konnte.
Denn er wollte sich ja gar nicht erobern lassen.
Ich war und bin davon überzeugt, dass diese Strategie uns allen und auch Stella sehr viel besser helfen wird als irgendwelche Taktiken, die nur dazu dienen sollen, einen Mann oder eine Frau an sich zu binden, der oder die sich gar nicht binden will oder kann.
Genau das ist in meinen Augen die Verantwortung der Therapeuten und Berater.
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